Vor einer Weile habe ich hier mal anklingen lassen, dass ich gerade versuche digital zeichnen zu lernen. Im selben Atemzug habe ich aber auch erklärt, dass ich noch nicht soweit bin darüber zu sprechen, geschweige denn etwas zu zeigen. Das hat sich inzwischen geändert und ist es mir in den Folgenden Wochen immer mal wieder wert hier ein paar Sätze dazu fallen zu lassen. V.A. weil ich mich als jahrelange Verfechterin traditionellen, analogen Illustrierens damit ganz schön schwer getan habe. Am Anfang steht aber erstmal die Frage: warum überhaupt? Und womit eigentlich? Wie fängt man das jetzt an? Zur Begriffsdefinition: unter digitalem Zeichnen verstehe ich, dass man von der Skizze an am Computer bzw. in einem Bildbearbeitungsprogramm arbeitet. Also von Anfang an auf einer digitalen Leinwand. Ob das Eingabegerät dabei ein Grafiktablett und Stylus (mit oder ohne Display), eine Maus oder ein Touchpad oder sonst was ist, spielt für mich keine Rolle. Ich selber arbeite mit einem Grafiktablett.
Warum überhaupt?
Im Animationsfilm wie im Comic wie im Artwork war es mir bis vor vielen Jahren immer ein Dorn im Auge, dass der Shift zum Digitalen geht. Steinigt mich bitte nicht, aber ich fand das damals „zu einfach“ und die Ergebnisse oft zu starr und seelenlos. Digitales Zeichnen erfordert natürlich dasselbe Können wie traditionelles Zeichnen auf dem analogen Papier. Nur die Mittel sind andere. Aber es erschien mir immer als wahr, dass digital einem vieles erleichtert. Von der Generierung von Inhalten ohne Zutun des Künstlers (gerade Linien, Verläufe, Texturen, …) bis hin zu weniger Material einkaufen zu müssen. Ich finde viele 3D-Animationsfilme zu gleichförmig und mustergültig. Überall dasselbe wasserkopfige, weichgezeichnete Charakterdesign. Wo ist die Mühe den Look zu erzeugen statt einen digitalen Filter und Ebenenstil drüberzujagen und die Maschine die Arbeit machen zu lassen? Auch die ersten Jahre von digitalem Manga mit schlechten Rastern haben mich stellenweise eher abgestoßen. Aber! Der Shift hat auch zu einem Wechsel der Techniken, Bedürfnisse und zum Wachsen der Fähigkeiten geführt. Heute sehe ich digitales Zeichnen, die ganzen digitalen Matte Painter und Webtoons in einer ganz anderen Qualität. Meine Angst bleibt, dass das traditionelle Zeichnen als nicht rentabel gilt und verschwindet.
Es mag nun überraschend klingen, dass ich trotz meiner langjährigen Abneigung immer selber Versuche unternommen habe digital zeichnen zu lernen. Schon vor über zehn Jahre habe ich erste Gehversuche gemacht. Warum? Des Geldes wegen. Wenn man nicht nur mit Bleistift und Papier auskommt, kann Zeichnen und Illustrieren ein teures Hobby sein. Auch jetzt, wo ich viel Material gesammelt habe (ich deute mal auf meinen Stapel Copic ciaos), ärgert mich, dass nach Scans die Farben nie so gut sind wie im Original erscheinen. Oder dass ich häufig meine Zeichnungen nicht vergrößern kann, weil nicht vektorisiert.
So fing ich vor vielen Jahren mit einem nicht druckempfindlichen Grafiktablett an, was für mich rückwirkend betrachtet absolut unbrauchbar war. Entsprechend habe ich auch kaum damit gearbeitet und sah mein damaliges Vorurteil des seelenlosen Zeichnens bestätigt. Das Dinge wurde schnell wieder verkauft. Sehr schwierig fand ich dabei außerdem den Shift zwischen Auge-Hand-Koordination. Es gibt Tablets mit und ohne Display. Hat man eins ohne, zeichnet man darauf und sieht nur auf dem Bildschirm das Ergebnis. Das ist erstmal sehr ungewohnt und komplett anders als beim analogen Zeichnen das Ergebnis direkt dort zu sehen wo man zeichnet.
Jahre später versuchte ich es mit einem Tablet von Medion, das Druckempfindlichkeitsstufen des Eingabestifts bzw. Pens unterstützt und empfand das als wesentlich angenehmer. Man kann damit kontrollieren, dass der Strich von mit wenig Druck ausgeführt bis hin zu stark aufdrückend erkannt wird. Das resultiert meist in dünneren bis dickeren Strichen und helleren bis dunkleren und garantiert somit einen natürlicheren Strich. Die Technik war aber noch nicht ausgereift. Mit der richtigen Software (damals Paint Tool Sai) war’s aber ganz ok. Oben seht ihr ein Bild aus der Zeit, gemacht mit SAI, ca aus 2012.
Und womit eigentlich?
So richtig gekriegt hat mich aber das Malen mit meinem alten, günstigen, kleinen Medion Tablet nicht. Es erschien mir immer noch als zu umständlich und ich war im Zeichnen mit traditionellen Materialien schneller. Das Angewöhnen der Hand-Augen-Koordination ist meiner Erfahrung nach mit einem kleinen Tablet außerdem deutlich angenehmer. Für viele Jahre hieß es dann eher traditionell zeichnen und meine Meinung zu digitalen Zeichnen schien bestätigt… .
Vor einigen Monaten dann empfand ich vermehrt Frust meine Motive abzupausen, zu scannen, digital säubern und nachbearbeiten zu müssen. Die Haltung beim Zeichnen machte mir Probleme. Da bekam ich die Gelegenheit günstig ein Wacom Cintiq 16 zu erstehen und hab die ergriffen. Das Tablet ist eins mit Display und ein ziemlich schweres Teil. ^^ Vom Handling her fühlt es sich an, als ob man direkt auf einem Monitor zeichnen würde. Das Wacom ist kippbar in mehreren Stufen und kann so besser der Körperhaltung angepasst werden. Das über einem Blatt lehnen hat also ein Ende.
Allerdings an der Stelle eine Warnung: Grafiktabletts gibt es in allen Preisgeraden. Ich sage nicht, dass man dieses Wacom kaufen muss. Ich sage nur, dass ich das getan habe und hatte wie mit allen anderen Tabletts auch hier gewisse Gewöhnungsphasen. Jeder muss für sich selber rauskriegen, welches Tablet das richtige ist. Das hier ist immerhin mein drittes. Am besten wäre es natürlich, wenn man sie mal ausprobieren kann. Die Krux, die auch mir auf dieser über zehn Jahre andauernden Reise zum Verhängnis wurde: die liegen eben nicht unbedingt beim lokalen Elektronikfachmarkt rum. Daher kann ich nur raten: fragt Bekannte, schaut euch Videos und Testberichte an, nehmt Messen wahr, wo man die realistisch ausprobieren kann.
Auch mit dem Wacom hatte ich so meine liebe Müh und Not, weil es so groß ist, dass es fast nicht auf meinen Schreibtisch passt. Praktikabel muss es natürlich auch sein. Was bringt es mir, wenn ich meinen halben Schreibtisch von meinem „day job“ jedes Mal anpassen und komplett abräumen muss, nur um mal ein bisschen zeichnen zu können? Kabelkanäle waren dann meine besten Freunde… . Die zweite große Erkenntnis auf meinem überraschend steinigen Weg zum digitalen Zeichnen war dann: die richtige Software muss gefunden werden.
Die letzte stabile Version von Paint Tool SAI liegt einige Jahre zurück, es drängte sich der Verdacht auf, dass es inzwischen andere Marktführer gibt. Als erstes nahm ich meine Photoshop-Version. Ich liebe Photoshop. Aber für die Arbeit mit dem Tablet war es mir zu umständlich. Ich bräuchte nebenbei eine Tastatur für die vielen Tastenbefehle. Die Tastatur hat aber zusammen mit Laptop und Tablett gar keinen Platz mehr auf meinem Schreibtisch. Das klingt jetzt lustig, das war es aber nicht. ^^ Es hat überhaupt keinen Spaß gemacht.
Best FREE Digital Art Software (2022), Aaron Rutten, Youtube
Ich musste mir in Photoshop ständig neue Presets und Vorlagen für Pinsel anlegen, weil standardmäßig nicht die Druckstärke erkannt wurde. Ich habe einfach irgendwann nicht mehr gezeichnet, weil es mir einfach alles viel zu umständlich war. Wenn man nur wenig Zeit für das Hobby hat, verbringt die nicht gern mit dem Jagen der richtigen Software-Konfiguration. Das musste sich ändern. Dann sah ich mir diverse Testberichte und Videos auf Youtube an, aus denen für mich Krita als Sieger hervorging. Krita ist ein Open Source(!) Tool, ich habe es jetzt seit einiger Zeit in Anwendung und es ist phänomenal gut! Man kann für Krita spenden und ich kann nur dazu raten. Die Entwickelnden machen einen großartigen Job. Die einzigen Defizite stelle ich in der Performance fest. Es berechnet seine Ebenenstile und Effekte deutlich langsamer als beispielsweise Photoshop, aber pffft, wen interessiert’s.
Was ihr hier unten seht sind einige der verschiedenen Werkzeugspitzen (Pinsel, Stifte, etc.), die ich in Krita ausprobiert habe. Insbesondere links seht ihr welche, die Druckempfindlichkeit unterstützen, unten links bspw. die Simulation von Aquarell und Wasserfarben, oben rechts einen digitalen Kalligrafie-Pen in Krita, unten rechts Airbrush, etc. Schon ziemlich geil.
Wie fängt man das jetzt an?
Nachdem die Hürde genommen war, konnte ich am PC grundsätzlich zeichnen wie ich es vom Papier kenne. Durch den noch etwas ungewohnten Umgang mit Krita natürlich noch etwas langsamer verglichen zum traditionell zeichnen. Dann aber wiederum fehlt der Aufwand des Einscannens und säubern/anpassen des Scans, was es nach hinten raus etwa gleich schnell macht.
Letzten Endes stellt sich dann die Frage, ob man zufrieden ist „so zu zeichnen wie bisher“, oder ob es nicht auch lohnenswert ist die ganze Toolpalette auszuschöpfen und sich digitales Zeichnen anzueignen. Das heißt vom Manga Style zeichnen zum „digitalen malen“ überzugehen. Mit welchen Tutorials ich geübt habe und was entstanden ist, muss aber in den nächsten Beitrag. Der hier ist schon lang genug 😉
Header image photo credit: Photo by Jerin J on Unsplash
Inzwischen habe ich einige Lektionen mehr im digitalen Zeichnen gemacht und schreibe die Fortschritte und Erkenntnisse hier in größeren Abständen als eine Art Lerntagebuch nieder. Vielleicht hilft’s jemandem. Wenigstens hilft es mir meine Reise etwas zu dokumentieren. Wie steht ihr zu Grafiktabletts und dem digitalen Zeichnen?
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